Stellensituation in Großbritannien
Aufgrund der allgemein verschärften Arbeitsmarktsituation haben auch Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeinmedizin inzwischen weniger Chancen, in Großbritannien eine Stelle zu finden. Hier einige Tipps, sollten Sie es trotzdem versuchen wollen.
In Großbritannien gibt es ein Primärarztsystem. Die Anforderungen und Arbeitsbedingungen eines britischen General Practitioners unterscheiden sich daher teilweise recht stark von denen eines niedergelassenen Hausarztes in Deutschland.
Die wichtigsten Punkte und häufigsten Fragen haben wir auf den folgenden Seiten behandelt.
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Häufig gestellte Fragen
Werden Tätigkeiten in Deutschland als Weiterbildung anerkannt?
Wer in Deutschland als Assistenzarzt nach Vollapprobation im Krankenhaus gearbeitet hat, bekommt diese Zeit meistens anerkannt. AiP-Zeiten werden grundsätzlich nicht anerkannt. Bei einer Arbeit als Weiterbildungsassistent in einer Praxis könnte es Probleme geben.
Das Jahr als Registrar sollte man auf jeden Fall in England machen, erstens ist es good fun, zweitens wird es gut bezahlt, drittens sind die Arbeitszeiten gut geregelt und viertens ist die Arbeit als GP eben doch anders als in einer Praxis in Deutschland.
Ein deutscher Titel als „Facharzt für Allgemeinmedizin“ wird generell anerkannt. Die Anerkennung von ausländischen Ausbildungsabschnitten ist in jedem Fall mit erheblicher Bürokratie verbunden, wofür man genügend Zeit einplanen sollte.
Was macht ein General Practitioner (GP)?
Ein General Practitioner (GP) ist etwa das, was man in Deutschland als Hausarzt bezeichnet. Auf der Insel gibt es auch den Begriff „family doctor“ oder „family practitioner“.
Der GP arbeitet entweder allein, oder weit häufiger mit mehreren Partnern zusammen in einer Gemeinschaftspraxis und ist für fast alle Menschen der erste Ansprechpartner bei Gesundheitsproblemen. Das Spektrum reicht vom verstauchten Knöchel und Halsschmerzen über Schwangeren- und Kleinkinderbetreuung bis hin zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Patienten.
Die meisten Patientenkontakte finden in der Praxis (Surgery oder Health Centre) statt, aber selbstverständlich werden auch Hausbesuche gemacht. Es gibt im Vereinigten Königreich keine niedergelassenen Fachärzte: Ein GP muss sich daher auf jedem Fachgebiet zumindest in den Grundlagen auskennen.
Wie sieht die Weiterbildung zum GP aus?
Nach dem Hochschulabschluss muss in Großbritannien jeder junge Arzt ein Jahr in einem Foundation Programme (entspricht in etwa dem früheren Pre-Registration House Officer – PRHO) arbeiten und ist hierfür nur mit einer Provisional Registration (Teilapprobation) zugelassen.
Anschließend bekommt man die Vollapprobation (Full Registration), es folgt ein zweites Jahr im Foundation Programme. Als Teil dieses zweiten Jahres kann man auch einige Monate in einer GP-Praxis verbringen.
Will man GP werden, dauert die Weiterbildung ab hier noch drei Jahre: Achtzehn Monate im Krankenhaus und weitere achtzehn Monate in einer GP-Praxis. In den zwei Krankenhausjahren sollten möglichst vier verschiedene Fächer jeweils ein halbes Jahr lang durchlaufen werden, idealerweise ein Jahr im operativen und ein Jahr im nichtoperativen Bereich. Das kann aber sehr variabel gehandhabt werden. Beliebt und gängig ist zum Beispiel die Kombination Innere, Gyn, Pädiatrie und Psychiatrie oder Accident and Emergency (Notaufnahme).
Das Jahr in der GP-Praxis verbringt man als GP Registrar, was nur bedingt dem deutschen Weiterbildungsassistenten entspricht. Die Betonung liegt auf Ausbildung, nicht auf Arbeit. Man ist zusätzliche Kraft, nicht extra pair of hands. Es wird streng darauf geachtet, dass die Praxis den Registrar auch wirklich ausbildet.
So hat er z. B. einen Nachmittag pro Woche frei für die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen außerhalb der Praxis, außerdem einen halben Tag study day zum Selbststudium und einen halben Tag tutorial mit einem erfahrenen GP als Ausbilder (protected teaching time). Zusätzlich hat man noch Anspruch auf Bildungsurlaub.
Die Weiterbildung kann im Rahmen eines vocational training schemes absolviert werden – das ist ein Arbeitsvertrag über die gesamten drei Jahre an einem Ort, wo man durch verschiedene Stellen rotiert und in der Regel in einer Gruppe von anderen Auszubildenden regelmäßige Weiterbildungen angeboten bekommt. Alternativ hierzu kann man sich sein eigenes Programm zusammensetzen. Letzteres bietet sich zum Beispiel für Ärztinnen und Ärzte an, die schon Vorerfahrungen haben, also bereits im Krankenhaus gearbeitet haben.
Gegen Ende des Jahres in der GP-Praxis steht eine Prüfung, das Summative Assessment, die aus vier Teilen besteht:
- eine Multiple-Choice-Klausur
- ein Audit Project, also eine kurze schriftliche Arbeit
- ein Videoband mit Mitschnitten aus Patientenkonsultationen und
- ein Trainer’s Report
Für die Prüfungen sollte man sich durchaus vorbereiten, insgesamt sind die Durchfallquoten doch eher gering. Das Schwierigste ist das Video, da es ungewohnt ist, eine Menge Vorbereitung erfordert und logistisch schwierig sein kann (Aufbewahren der Filme, Zusammenschneiden….). Hat man das Summative Assessment bestanden, kann man als GP arbeiten.
Der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist noch die Prüfung zur Mitgliedschaft im Royal College of General Practitioners (MRCGP). Diese ist nicht obligatorisch, wird aber gerne gesehen. Sie besteht ebenfalls aus vier Teilen:
zwei schriftliche Papers
- eine mündliche Prüfung
- ebenfalls ein Videoband
Bestehen ist hier etwas schwieriger, die Durchfallquote liegt etwa bei 30% pro Einzelabschnitt. Das Examen bietet sich für Leute an, die gerne langfristig im Land bleiben wollen oder eine akademische Karriere anstreben. Diese Prüfung kostet Geld: Jeder Abschnitt etwa £200.-
Gibt es Nacht- und Wochenenddienste?
Am 1. April 2004 ist ein neuer Rahmenvertrag in Kraft getreten, der die Tätigkeit und die Vergütung des General Practitioners neu regelt. Um die Notdienstversorgung flächendeckend zu gewährleisten, waren die Primary Care Trusts gezwungen, bis Anfang Januar 2005 neue Strukturen aufzubauen. Nur ein Arzt, der die Qualifikation zum General Practitioner besitzt, kann am Notdienst teilnehmen.
Ausländische Ärzte können dann teilnehmen, wenn sie eine entsprechend gleichwertige Qualifikation besitzen. Allein der deutsche Facharzt für Allgemeinmedizin wird derzeit als Äquivalent zum General Practitioner anerkannt. Der Facharzt für Innere Medizin hingegen nicht.
Wer noch nicht vorher in Großbritannien gearbeitet hat, muss zunächst einige bürokratische Hürden überwinden. Neben der Registrierung beim General Medical Council ist auch die Eintragung in eine Performers List (entspricht in etwa dem deutschen Arztregister) notwendig.
Auch eine britische Haftpflichtversicherung (Medical Defence Union oder Medical Protection Society) ist zwingend notwendig – auch wenn manche Vermittlungsagentur nicht darauf besteht. Abgesehen davon sollte ein deutscher Hausarzt zunächst einige Zeit als General Practitioner in der täglichen Versorgung gearbeitet haben, um sich mit den Verhältnissen in Großbritannien vertraut zu machen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Ein Beispiel eines normalen Tagesablaufs:
Man kommt um halb neun in die Praxis, trinkt einen Kaffee und fängt dann um neun mit der Sprechstunde an: Diese dauert ca. drei Stunden, während derer man 18 Patienten im Zehnminutentakt behandelt.
Um zwölf ist man fertig, beschäftigt sich eine halbe Stunde lang mit Verwaltungsangelegenheiten, dann folgen zwei oder drei Hausbesuche.
Anschließend ist Mittagspause und nachmittags folgen nochmals zweieinhalb Stunden Sprechstunde.
Einen halben Tag pro Woche hat man frei. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt – je nach Praxis – zwischen 40 und 50 Stunden.
Wie ist die Bezahlung?
Der GP-„Principal“ ist formal selbständig, in der Regel als Partner in einer Gruppenpraxis. Er wird vom National Health Service (NHS) bezahlt.
Das britische Gesundheitssystem ist staatlich, der NHS wird aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Eine besondere „Gesundheitssteuer“ gibt es genauso wenig wie Krankenkassen (wohl aber private Versicherungen).
Jeder Einwohner sollte sich bei einem GP „registrieren“ lassen, egal ob er gerade Behandlung braucht oder kerngesund ist. Viele jüngere Leute haben „ihren“ GP seit Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht gesehen, bleiben aber registriert. (Zieht man in eine andere Gegend um, muss man sich dort neu registrieren lassen). Nur eine Minderheit der Bevölkerung ist nicht registriert.
Die Vergütung eines GPs durch den NHS richtet sich grundsätzlich nach der Anzahl der registrierten Patienten. Hinzu kommen Sonderprämien für gute Versorgungsqualität. Wichtig ist, dass es grundsätzlich keine Einzelleistungsvergütung gibt. Ob ein bestimmter Patient nun jede Woche dreimal auf der Matte steht oder jahrelang nie gesehen wird – der GP verdient prinzipiell das gleiche.
Ein Vollzeit-GP als Partner in eigener Praxis kann zwischen £60,000 und £150,000 im Jahr verdienen, wobei der Mittelwert bei ca. £90,000 liegt (brutto). Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten – bei festen Arbeitszeiten und bezahltem Urlaub, ohne betriebswirtschaftliches Risiko und ohne Managementaufgaben. Der Verdienst für einen angestellten GP ist etwa um 25 bis 30 Prozent niedriger.
Die Vergütung für Notdienste ist landesweit sehr unterschiedlich. Für Nachtdienste wird in der Regel mehr bezahlt als für Abendschichten und an Wochenenden und an Feiertagen mehr als unter der Woche. Üblich sind ab ca. £75 bis hin zu £100 pro Stunde, wobei ca. £80 ein Mittelmaß ist. Angesichts dieser Stundensätze kann es für deutsche Allgemeinmediziner schon attraktiv sein, für ein verlängertes Wochenende nach Großbritannien zu fliegen. Allerdings sind diese Stundensätze auch für Einheimische sehr attraktiv. Viele Notdienstträger sind inzwischen dazu übergegangen, einen Stamm von Ärzten zu regelmäßigen Schichten zu verpflichten, denen man oft Angestelltenverträge anbietet. Ärzte von außerhalb werden somit nur noch als „Lückenbüßer“, oft sehr kurzfristig, benötigt.
Siehe auch: “So you want to be a GP” (©Royal College of General Practitioners)
© Dr R. Ginns, 2017